Man musste schon arg krank sein, um seine Anwesenheit zu schätzen. Denn er lebte „wie ein Schwein“, wie später der Leibarzt Friedrich des Großen über ihn schrieb. Ungepflegt, rüpelhaft wie ein Bulldozer und fast immer betrunken provozierte der nur 1,50 Meter große, von vielen als hässlich empfundene Mann alleine durch seine Auftreten. Kranke aber begrüßten sein Erscheinen; denn er galt als Wunderheiler seiner Zeit: Philippus Theophrastus Aureolus Bombastus von Hohenheim, besser bekannt unter seinem selbst gewählten Namen Paracelsus.
Was immer man auch über den 1493 in der Schweiz geborenen Arzt, Alchemist, Astrologe, Mystiker und Philosoph sagen will: unstrittig ist, dass sein Werk und Wirken bis heute Beachtung findet. Schon zu Lebzeiten ging ihm der Ruf legendärer Heilerfolge voraus, wenngleich Mediziner und Apotheker keine Gelegenheit ausließen, ihn öffentlich anzufeinden.
Es waren gerade vor allem die Kollegen der Heilkunde, die kein gutes Haar an ihm ließen: „Verrecken will ich, wenn du würdig bist, dem Hippokrates das Nachtgeschirr nachzutragen oder meine Schweine zu hüten, du Taugenichts. Am besten ist für dich ein Strick, an dem du dich aufhängen kannst“ ist nur eine von vielen andauernden Beschimpfungen, die ihm entgegenschlugen. Aber Paracelsus war kein Duckmäuser; er konnte auch austeilen und betitelte andere Ärzte als „Arschkratzer, Hudelärzte, Hodenschneider, Lumpenärzte, Wolfsärzte, Büffeldoktoren, Schmierer, Kuhärzte, Sirupgegber und Schwaderlappen“.
Der radikale Medizin-Erneuerer
Was führte zu diesem gegenseitigen Hass? Sicherlich die Tatsache, dass Paracelsus, alles, aber auch alles, was in Ärztekreisen als gesicherte Erkenntnis galt, radikal infrage stellte. Er scherte sich einen Dreck um Reputation und Bescheidenheit und die alten Schriften, auf die sich die anerkannten Heiler seiner Zeit beriefen, hinterfragte er. Statt nachzuplappern, was in Folianten geschrieben war, wollte er erforschen. Nicht glauben, sondern wissen, war sein Credo. So missbilligte er die Vier-Säfte-Lehre des Hippokrates, die damals Fundament jeglicher medizinischer Lehren war. Auch seine Studenten forderte er immer wieder auf, die Natur zu beobachten statt lateinische Schriften zu lesen. Denn, so seine Überzeugung: Jede Krankheit entstand der Natur. Aus der Natur kommt die Krankheit, aus der Natur kommt auch die Medizin. Nur die Natur heilt die Natur. Auch der Mensch ist Produkt der Natur. Wie sehr er reines Bücherwissen verabscheute führte er öffentlich vor, indem er 1527 alte Schriften der Medizinpäpste Hippokrates, Avicenna und Galenus verbrannte.
Er selbst hatte seine Erkenntnisse ebenso über den Weg des Beobachtens und Ausprobierens gewonnen. So verdingte er sich als Wundarzt an Kriegsschauplätzen und lernte dort, wo Soldaten mit offenen Wunden, Geschwüren und zahlreichen Verletzungen versorgt werden mussten, den Körper des Menschen kennen. Anatomie brachten ihm zudem Folterknechte und Henker bei. Allein das brachte ihm eine Außenseiterposition in der Ärzteschaft ein. Denn Ärzte scheuten damals die Behandlung von Verletzungen und offenen Wunden sowie chirurgische Eingriffe – das war die Aufgabe der Bader und Chirurgen, deren Beruf als „unehrlich“ galt und die entsprechend eine niedere soziale Stellung innehatten. Dass nun ein Arzt dererlei schmutzige Arbeit übernahm, empfanden viele Ärzte im 15. Jahrhundert als Affront. Eine weitere Provokation war, dass Paracelsus sein Wissen auf Deutsch weitergab und nicht in lateinischer Sprache unterrichtete. Das medizinische Wissen sollte „gemein“ werden, also der Allgemeinheit zugänglich sein und nicht nur einer gelehrten Elite.
Krankheitsursachen
Paracelsus benannte fünf Ursachen einer Krankheit:
- Gestirnseinflüsse
- durch den Körper aufgenommene Gifte
- Konstitution
- psychische Ursachen
- und den unmittelbaren Einfluss Gottes
Mit dem ersten Punkt wird auch die Wichtigkeit astrologischer Faktoren offensichtlich. Den Menschen als Naturwesen betrachtend sah er den Einzelnen eingebunden in das Geflecht von Mikro- und Makrokosmos – sehr modern dem Gedanken der Synchronizität ähnlich. Wikipedia-Autoren haben das wie folgt beschrieben: „Dabei greift Paracelsus auf das grundlegende hermetische Prinzip der wechselseitigen Übereinstimmungen zwischen dem Menschen als Mikrokosmos und der Welt als Makrokosmos zurück. So würden bereits äußere Eigenschaften wie Form und Farbe von Pflanzen Rückschlüsse auf deren Wirkung zulassen. Beispielsweise sollen herzförmige Blüten gegen Herzkrankheiten, höckrige Wurzeln gegen die Geschwülste des Aussatzes und stachelige Disteln gegen Stechen in der Brust wirken.“ Ergänzt werden muss, dass astrologische Kenntnisse für Paracelsus unverzichtbarer Grundstock ärztlichen Wirkens war. Nur wer eine Erkrankung auch astrologisch verstehe, sei in der Lage, die angemessen zu kurieren. Ein Arzt ohne Astrologie-Know-how sei ein Schwätzer, kein ernst zu nehmender Mediziner.
Das Geburtsbild von Paracelsus
Diesen streitbaren Arzt horoskopisch zu erfassen ist schwierig, da kein genauer Geburtstag vorliegt. Luis Rodden benennt in ihrer Datenbank den 19. November 1493 (greg.) als Geburtstag mit der Angabe 10:23 Uhr als Geburtsuhrzeit. Leider ist nicht vermerkt, wie sie auf diese Daten kommt. Ich selbst habe mich in einer Geburtszeitkorrektur versucht; möchte direkt hinzufügen, dass ein Ergebnis bei so einer ungenauen Ausgangsdatenlage schwierig und daher nicht sicher ist. Die von mir mittels der Methoden der Geburtszeitkorrektur nun benannten Daten sind daher mit Vorsicht zu genießen. Dass Paracelsus eher Ende des Jahres 1493 geboren wurde, lässt sich an der Stellung Neptuns ablesen; der Planet der Heilung und Auflösung betrat in jenem Jahr nämlich Anfang November das Tierkreiszeichen Steinbock, also die Ära der Tradition. Wenn jemand derart mit der Tradition bricht, kann man davon ausgehen, dass er Neptun im Steinbock und nicht etwa noch im Schützen hat. Verbunden mit seiner Wahrheitsliebe und dem tabulosen Bohren in Wunden (im doppeldeutigen Wortsinn), muss auch eine Skorpionbetonung vorliegen. Diese Vermutung bestätigt sich, wenn man bedenkt, dass Paracelsus bei der „Teufelsbrücke“ geboren wurde und seine Mutter ein Hospiz leitete. Die Radikalität seiner Worte und Schriften lässt sich mit einer Pluto-Merkur-Verbindung assoziieren. Tatsächlich gibt es einen Geburtsmoment, der diese Faktoren aufweist; da dieses Horoskop zudem in Übereinstimmung mit markanten Lebensereignissen gebracht werden kann, halte ich es für eine gute Arbeitshypothese: 18.11.1493 (greg.), 10:30 Uhr LMT (09:55 UT), Einsiedeln/CH.
Sein streitbares Auftreten spiegelt sich wider im steinböckischen Mars im ersten Haus, seine Naturheilphilosopie als Grundlage allen Wirkens am Chiron im Stier am IC. Dass er Wertschätzung vornehmlich von Kranken und Ausgestossenen erhielt zeigt Venus im zwölften Haus. Dabei ist Venus das Prinzip der Sympathie, das zwölfte Haus üblicherweise der Ort der Kranken und sozial Schwachen.
Betrachtung der Halbsummen
Interessant auch die Halbsummenverteilung* in dieser Radix. Der Aszendent steht beispielsweise in der Halbsumme von Neptun und Mars, verbindet also Empathie einerseits (oder auch den Alkoholismus), zugleich aber andererseits den Kampfgeist und den Mut zum Pionierdasein. Das wiederholt sich ähnlich, wenn wir die Sonne betrachten, die in der Halbsumme von Mars und Lilith steht, während Mars selbst den Halbsummenpunkt von Uranus und Neptun bildet. Wir haben es also mit einem Kämpfer (Mars) zu tun, der Neues (Uranus) in das Heilwesen (Neptun) bringt und dabei eine Radikalität (Lilith) an den Tag legt, die ihm letztlich auch selbst schadet – aber der Sache dient. Spannend finde ich, dass Venus zusammen mit Saturn den Halbsummenpunkt bildet, an dem exakt Neptun steht. Denn unabhängig von allen Kräutern, Steinen und Metallen, die Paracelsus zum Heilen einsetze, betonte er wiederkehrend, dass das wichtigste Heilmittel die Liebe des Arztes sei; nur mit Liebe heilen die Wirkstoffe.
Vor 475 Jahren starb Paracelsus mit nur 47 Jahren. Seine medizingeschichtliche Bedeutung findet bis heute Beachtung, bis weit in Alltagspraktiken hinein, die wir gar nicht mehr automatisch mit Medizin in Verbindung bringen. Beispielsweise war er der erste, der, aus einem neuen Verständnis des Verdauungsprozesses heraus, Zucker aus Hauptmahlzeiten verbannte und als Nachtisch ans Ende der Speisefolge setzte. Wenn Sie sich nun also das nächste mal am Ende eines Menüs ein süßes Dessert gönnen, dann halten Sie doch kurz inne und denken Sie an diesen streitbaren Geist.
* Was Halbsummen sind und wie man sie deutet erfahren Sie hier: Video Halbsummen
Bildquellen:
Stich Paracelsus: Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=330847
Horoskopzeichnung erstellt mit Sarastro
Text- und Tonquellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Paracelsus
http://www.aerzteblatt.de/archiv/4825/Paracelsus-Ausstellung-Unsteter-Mediziner
http://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/zeitzeichen/philippus-aureolus-paracelsus-100.html
http://www.astro.com/astro-databank/Paracelsus