In diesem Beitrag widmen wir uns den Angehörigen von Menschen mit Depression mit der Fragestellung, wie Astrologie den Kümmerern helfen kann. Wie Depression selbst astrologisch betrachtet wird, erfährst du in dem Video „Depression – wie man sie im Horoskop erkennt und wie Astrologie helfen kann„.
Das Leiden der Angehörigen
Unter einer Depression leidet nicht nur der Betroffene selbst. Das Umfeld ist in großem Maße mit in die Erkrankung einbezogen. Wer mit einem depressiven Familienangehörigen zusammenlebt, kommt um dessen Niedergeschlagenheit nicht herum. Wie ein dunkler Nebel zieht die Düsternis in alle Ritzen ihres gemeinsamen Daseins. Angehörige werden mit der Zeit oft selbst lustlos und bedrückt, sehen die Zukunft düster und fühlen sich vom Depressiven in ein morastiges Nichts heruntergezogen. Für den depressiven Menschen, dem der Tag wie ein Berg erscheint, sind viele Tätigkeiten eine so große Last, so dass er sie nicht mehr bewältigen kann. Einkaufen? Geht nicht mehr. Die Kinder zur Kita bringen? Unmöglich. Den Müll runterbringen? Heute zu schwer. Wer mit ihm zusammen unter einem Dach lebt, wird früher oder später dessen Pflichten und Verantwortlichkeiten mit übernehmen. Zugleich bekommt man für die Mehrarbeit kaum Anerkennung vom Erkrankten, und die Standartreaktion von Dritten, „ich könnte das nicht“, ist oft nur ein zweischneidiges Lob, auf das der Angehörige gerne verzichten würde. Während sich also die Lasten ungleich neu verteilen, fallen gemeinsame schöne Erlebnisse weg. Denn der Depressive verspürt kein Verlangen mehr nach Sex und verhält sich beim Kuscheln komplett passiv. Zu gemeinsamen Aktivitäten, die früher Freude bereitet hatten und die Beziehung festigten, lässt er sich nicht mehr überreden – selbst vorschlagen tut er solche Vorhaben ohnehin nicht. Lieber bleibt er im Bett liegen; wenn die Depression arg fortgeschritten ist, auch mal ganze Tage. Der Depressive tut dies nicht aus Faulheit, sondern weil er nicht anders kann. Für den Angehörigen macht das im Erleben zunächst keinen Unterschied. Der gesunde Partner spürt vielmehr, dass von seinem erkrankten Familienmitglied eine stumpfe Gleichgültigkeit ausgeht. Womöglich gewinnt er den Eindruck, mit einer Puppe zusammen zu leben, die sich für nichts interessiert, auch nicht für die engsten Liebsten und Freunde. Das kränkt. Kommt auch noch das Thema Aussichtslosigkeit hinzu, lebt der Angehörige in Sorge um einen möglichen Suizid. Dieses Szenario kann zur Drohkulisse werden, bei der der Angehörige das Wohlergehen des Kranken ganz in den Mittelpunkt stellt, um nicht direkt oder indirekt schuldig zu werden bei einer möglichen Selbsttötung. Bei einer Jammerdepression muss man zudem geduldig das ständige Klagen über körperliche Probleme, Verarmungsängste, Sinnlosigkeit oder Schlafstörungen ertragen. Alles dreht sich um den Depressiven. Er ist eine dunkle, erkaltete Sonne, um die der Partner / die Partnerin wie ein aufgeregter Rettungssanitäter kreist und kreist und kreist, hilflos bei dem Versuch, als Satellit der erkalteten Sonne wieder Wärme einzuhauchen.
Falsche Rücksichtnahme
Es ist löblich, wenn man als Angehöriger eines depressiven Menschen dessen Wohlergehen in den Vordergrund stellt und ihm helfen möchte. „Die Liebe wird’s schon richten“, denkt man sich und verzichtet auf lustige Kinoabende mit Freunden, weil man seinen niedergeschlagenen Schatz nicht alleine zurück lassen möchte. Man möchte verständnisvoll sein und spürt auf Dauer doch Enttäuschung, weil der Depressive die Hilfe nicht anzunehmen in der Lage ist. Man nimmt Rücksicht und merkt irgendwann, dass man sich Tätigkeiten verkneift, die man vermisst und die eigentlich zu einem glücklichen Leben dazu gehören. Man ist entweder permanent aufgesetzt fröhlich, um der Düsternis ein helles Lachen entgegen zu setzen, oder vermeidet jeden Ausdruck der Heiterkeit, um den Depressiven nicht vor den Kopf zu stoßen. Auf Dauer wird der Angehörige frustriert, entkräftet, zweifelnd, ja sogar wütend und zukunftsunsicher. „Zwei von drei Angehörigen chronisch psychisch kranker Menschen drohen langfristig selbst zu erkranken“, betont Karl Heinz Möhrmann, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes der Angehörigen psychisch Kranker (BApK). (#1)
Wenn wir uns als Astrologinnen fragen, wie wir Depressive bei ihrem Prozess der Gesundung unterstützen können, sollten wir die Angehörigen gleichermaßen im Blick behalten. Sie leiden anders, aber nicht minder schwer an der Depression. Zudem ist ein stabiler, in sich ruhender Partner für einen Depressiven eine Stütze auf dem Weg zurück ins aufrechte, vitale Leben.
Was brauchen Angehörige?
Angehörige von Depressiven sind oft Kümmerer; sie kümmern sich um alles. Entweder, weil es von ihrer Persönlichkeit her so angelegt ist oder weil sie in diese Rolle gezwungen werden. Die Beziehung zu dem depressiven Familienmitglied gerät in eine hierarchische Schieflage, unabhängig von den sozialen Rollen, die die beiden eigentlich einnehmen. So kann beispielsweise eine Tochter Schutz-, Erziehungs- und Leitungsfunktionen gegenüber ihrem erkrankten Vater einnehmen. Diese Übernahme von Verantwortung finden wir bei Saturn im Horoskop. In seiner eigentlichen Bedeutung verhilft uns diese innere Kraft zur Selbstverantwortung, mit der wir uns, aufgerichtet und mit klarem Blick, aus ungesunder Knechtschaft befreien können. Durch die Nähe zu einem unselbständigen Mitmenschen kann es passieren, dass Saturn sich nicht mehr nur um die eigenen Angelegenheiten kümmert, sondern auch um die des kranken Partners. Natürlich mag dies bis zu einem gewissen Grad in Ordnung sein und in einer Beziehung übernimmt man auch Verantwortung für den anderen. Doch überträgt sich die Erstarrung der erkrankten Persönlichkeit auf den eigentlich gesunden Menschen, wird es erforderlich, Saturn wieder als eigene Kraft zu erkennen und zu nutzen. Astrologisch untersuchen wir daher die Stellung Saturns in der Radix des Angehörigen, seine Zeichen- und Hausposition, seinen Herrscherbezug und die Planeten, mit denen er einen Aspekt bildet. Daraus lassen sich Interventionen ableiten, die dazu dienen, Saturn wieder auf den Horoskopeigner selbst zu konzentrieren. Ein 5.-Haus-Saturn mahnt beispielsweise dazu, den eigenen Spieltrieb nicht zu vergessen. Saturn im Aspekt zu Mars deutet auf sportlichen Ehrgeiz hin, den man als Ausgleich zu der innerfamiliären Betreuungsarbeit heranziehen kann. Herrscht Saturn über das 11. Haus, darf man zwischendurch guten Gewissens in Chat-Foren abtauchen, ohne sich derweil um seinen depressiven Partner zu kümmern. Saturn in Haus 1? Übernimm Verantwortung für dein Äußeres; vielleicht mittels vorher festgelegter Friseurbesuche oder einer halben Stunde Maniküre pro Woche, bei der es um deine Hände und Füße geht und nicht um das Leiden des anderen.
Meine Aufgabe als astrologischer Berater ist demnach, Saturn von außen anstoßen, indem ich den Klient:innen passende Hausaufgaben mit auf den Weg gebe. So erteile ich etwa dem Angehörigen mit Mond-Saturn die Aufgabe, alle 14 Tage das Enkelkind zu hüten, statt ausschließlich nach dem Wohlergehen des depressiven Partners zu schauen. Oder man kann ihm zu einer wöchentlichen Selbstreflexionsphase raten, während der er am Rande eines Kinderspielplatzes sitzend den Kleinen beim Toben und Albernsein zuschaut. Du bist selbst astrologisch tätig und möchtest deinen Klienten nichts raten, da Ratschläge auch Schläge sind? Auch gut: dann entwickele mit ihm gemeinsam eine Strategie, die zu der jeweiligen Saturn-Konstellation passt.
Schuld
Wahrscheinlich müssen wir in diesem Zusammenhang das Thema Schuld mit ansprechen. Macht man sich nicht schuldig, wenn man nach den eigenen Bedürfnissen schaut während der Mensch, den man liebt und gerne hat, an der Welt verzweifelt? Man kann die Frage jedoch auch umdrehen: möchte man, dass der Depressive zusätzlich zu all seinen Problemen noch die Schuld aufgeladen bekommt, dass sein Schatz, den er vermutlich ja ebenfalls liebt und gerne hat, ebenfalls mit draufgeht? Depressive Menschen sind von ihrer Grundstruktur her meist sehr empfänglich und sensibel. Sie leiden oft an der Ungerechtigkeit und Schwere der Welt. Auf dem Tierkreis würde man sie am ehesten bei Krebs und Fische verorten. Ein häufiger Suizidgrund ist daher, den anderen nicht länger zur Last zu fallen. Kurzum: man kann davon ausgehen, dass der Angehörige vom Depressiven eine Erlaubnis hat, sich selbst zu retten und eigene Interessen zu verfolgen. Der Angehörige, der seine Verantwortung für sich selbst aufgibt und somit dem Muster des Depressiven folgt, ist hingegen kein Held, sondern belastet vielmehr den Kranken zusätzlich.
Aggression
Früher oder später bekommen Angehörige von Depressiven das Gefühl, innerlich zu zerplatzen, wenn nicht bald etwas geschieht. Das wattierte Dahindämmern des Partners, seine Interessenlosigkeit und seine, ja man könnte manchmal fälschlicherweise sagen scheinbar arrogante Art, alles an sich abprallen zu lassen, entfachen in den Menschen seiner Umgebung Wut und Ärger. Die Tatsache, dass der Depressive sich nicht einmal wehrt, wenn man ungerecht zu ihm ist, steigert diese Wut oft zusätzlich. Muss der Angehörige über einen längeren Zeit erkennen, dass seine Beschützer- und Helferbemühungen fruchtlos bleiben, kann es passieren, dass zusammen mit der Wut nach einer Phase der Kontrolle eine Phase der Anklage folgt. Dann treten Aggressionen und Verachtung gegenüber dem Kranken in den Vordergrund; eine für alle Beteiligten gefährliche Mischung, die ein Alarmsignal sein sollte.
Astrologisch muss man nicht lange suchen, um die dazu passende Plantenenergie zu lokalisieren: wir haben es mit Mars zu tun. Während die Willenskraft bei Depressiven unterdrückt ist, konzentriert sie sich beim Angehörigen oft zunächst ganz auf den kranken Partner. Der eigene Mars wird dann, vergleichbar mit Saturn, für einen anderen Menschen eingesetzt. Auch hier der Hinweis: bis zu einem gewissen Grad ist das völlig in Ordnung. Sich für Schwächere zu engagieren gilt weltweit und kulturübergreifend als hohes Gut. Doch wenn alle vitale Energie wirkungslos verpufft und für den Horoskopeigner selbst nichts mehr übrig bleibt, dann ist ein Zustand der Selbstschädigung eingetreten. In der astrologischen Beratung lohnt es somit, die Stellung des Mars unter die Lupe zu nehmen: in welchem Haus und Zeichen steht er, über welches Haus herrscht er und bildet er Aspekte zu anderen Planeten? Ein Mars in Haus 7 muss nämlich nicht ausschließlich durch Handreichungen für den Partner ausgelebt werden, sondern kann auch ein Hinweis darauf sein, dass Wettkämpfe Spaß machen. Statt sich mit dem Liebsten zu zoffen oder sich über ihn und seine Krankheit aufzuregen kann eine Runde Tischtennis mit einer Freundin Lebenslust und Power zurück bringen. Eine Mars-Venus-Verbindung zeigt, dass Energie durch Flirten und Tanzen gewonnen werden kann. Bricht man deswegen gleich sein Treuegelübde, wenn man einen Abend beim Schwoofen mit anderen tändelt? Immerhin handelt es sich um eine Ausnahmesituation, die auch ungewöhnliche Experimente erlaubt. Natürlich lässt sich Mars-Venus auch anders übersetzen; hier ist das Deutungsknowhow des jeweiligen Astrologen gefragt.
Kraftreise durch die Häuser
In meiner astrologischen Beratung biete ich Angehörigen von Depressiven oft noch einen zweiten Zugang zu ihrem eigenen Horoskop an: die Betrachtung der zwölf Häuser. Dabei schlage ich eine Vorgehensweise vor, die ich sonst in Beratungssettings vermeide: Wir gehen der Reihe nach alle zwölf Häuser durch mit der Fragestellung, welche Lebensbereiche von der Erkrankung des Familienmitglieds besonders beeinträchtigt werden aber auch, welche dabei außen vor und verschont bleiben. Alleine diese Herangehensweise ist aufschlussreich, weil erschöpfte Helfer und Helferinnen oft die Bereiche gar nicht mehr wahrnehmen, die eine Kraftquelle für ihren Alltag darstellen könnten. Ich erinnere mich an eine Beratungssituation, in der mir eine Klientin bei dieser Vorgehensweise berichtete, dass sie die ganzen Belastungen vergesse, sobald sie ihre Eltern besuche – wir sprachen da über das Haus 4. Sie selbst verordnete sich dann, ihre Eltern nicht nur alle halbe Jahr zu besuchen, sondern ein Wochenende im Monat. Das alleine löst die Krankheit ihres Partners nicht in Luft auf; aber es schafft eine Entlastung, die sie braucht, um in dieser belastenden Zeit weiter bestehen und gesund bleiben zu können.
Man kann jedes Horoskophaus mit wenigen Worten beschreiben und den Klienten bitten, auf einer Skala von 0 bis 10 anzugeben, wie sehr dieser Lebensbereich von der Erkrankung des Angehörigen beeinflusst wird, wobei 0 bedeutet, dass der Bereich gar nicht tangiert wird und 10, dass dieser Bereich komplett durch die Depression des anderen beherrscht wird. Im zweiten Schritt gilt es, mit dem Klienten zu überlegen, welche Lebensbereiche mehr Autonomie verlangen. So kann es ja sein, dass der Bereich der Durchsetzung (Haus 1) mit einer 5 auf der Skala bewertet wird, der Klient damit zugleich sehr zufrieden ist. In einem anderen Fall ist der Horoskopeigner aber womöglich nicht mit einer 5 zufrieden und das Gespräch dreht sich dann darum, wie er von der 5 zu einer 4, also zu mehr Abstand zu der psychischen Erkrankung seines Partners im Bereich Durchsetzung kommen kann. Dabei ist das Zeichen an der Spitze des Hauses für die astrologische Deutung relevant. Über die Zeichenenergie kannst du Hinweise finden über die Art und Weise, wie sich der Klient diesen Lebensbereich wieder stärker aneignen kann. Weitere Facetten ergeben sich, wenn man die Herrscherstellung mit berücksichtigt, die feine Verbindungen zwischen den verschiedenen Häusern und somit Lebensbereichen markieren. Steht beispielsweise jener Planet im 1. Haus, der über das 3. Haus herrscht, so ist eine intellektuelle Herangehensweise an das Thema Durchsetzung empfehlenswert. Vielleicht lohnt es sich, ein Buch dazu zu lesen. Steht der Herrscher des 1. Hauses im 10. Haus, so kann man an den Rückmeldungen anderer überprüfen, wie sehr man sich Durchsetzung wieder zueigen gemacht hat. Die Erfolge davon sollten dann bei der eigenen Karriere oder dem sozialen Status, den man erreicht, sichtbar werden.
An sich selbst denken
Nimmt ein Angehöriger astrologische Beratung für sich in Anspruch, ist ein wichtiger Schritt bereits getan: die Aufmerksamkeit geht dann nämlich weg vom Kranken hin zu der eigenen Persönlichkeit und der eigenen Situation. Der Kümmerer kümmert sich um sich selbst, unterstützt durch die Astrologin oder den Astrologen. Durch die Konzentration auf Saturn und Mars und gegebenenfalls weitere aktuell wichtige Planeten sowie die Häuserreise findet der Angehörige hoffentlich wieder zu seiner Mitte zurück. Das astrologische Angebot steht – es in Anspruch nehmen muss der Angehörige allerdings selbst.
Fußnote #1) www.zeit.de/wissen/gesundheit/2013-08/angehoerige-psychisch-kranker/komplettansicht. Den BApK erreicht man unter www.psychiatrie.de/bapk