Die Psychologie kennt verschiedene Modelle, die komplexen und zum Teil widersprüchlichen Bedürfnisse eines Menschen zu beschreiben. Dabei greift sie mal mehr, mal weniger deutlich auf die Vorstellung zurück, dass sich eine Person aus mehreren Teilpersönlichkeiten zusammen setzt:
Der Urvater psychologischer Forschung, Sigmund Freud, nannte die Bereiche „Ich“, „Es“ und „Über-Ich“.
In der Transaktionsanalyse unterschied Eric Berne zwischen dem „Eltern-Ich“, dem „Erwachsenen-Ich“ und dem „Kindheits-Ich“.
Mit der Psychosynthese hat der italienische Psychologe Roberto Assagioli das Unbewusste noch mal in das „tiefere“, „mittlere“ und „höhere Unbewusste“ unterschieden, sowie das „Höhere Selbst“ als auch das „kollektive Unbewusste“ als Teilmengen mit eingefügt.
Der Hamburger Psychologe Friedemann Schulz von Thun wiederum hat keine konkreten Bereiche oder Figuren vorgegeben, sondern als Metapher vom „inneren Team“ gesprochen und meinte damit die verschiedenen Stimmen, die in einer Situation in einem sprechen. Während eines Konflikts mit dem Vorgesetzten könnte eine Stimme dazu auffordern, sich nicht alles gefallen zu lassen, während die andere zur Vorsicht rät, die eigene Karriere nicht zu gefährden.
Auch in anderen Kulturkreisen finden wir solche Aufteilungen der eigenen Persönlichkeit in mehrere Unterbereiche; das hawaianischen Huna beschreibt beispielsweise drei „Selbste“: den „Familienschutzgeist“, den „Geist eines verstorbenen Verwandten“ und die „Seele“.
Einige Therapierichtungen fordern dazu auf, mit den verschiedenen Stimmen in Kontakt zu treten:
- So hat Carl Gustav Jung hat , mit den „Archetypen des Unbewussten“ Dialoge zu führen.
- Die „Stimmendialog“-Technik, entwickelt von dem amerikanischen Therapeuten-Paar Sidra und Hal Stone, forciert das.
- In der Gestalttherapie wird ein „leerer Stuhl“ benutzt, um als Platzhalter für einen Persönlichkeitsanteil zu dienen, mit dem man sich unterhalten möchte.
Menschheitsgeschichtlich sind all diese Gedanken und Ideen relativ jung und zum Teil etwas grobschlächtig verglichen mit dem, was die Astrologie diesbezüglich zu bieten hat. Denn bereits vor mehreren Tausend Jahren wurden über die „Planetengötter“ Teilpersönlichkeiten beschrieben, die allesamt im menschlichen Erleben eine Rolle spielen. Heute stellen wir uns das so vor, dass unterschiedliche Persönlichkeitsanteile, man könnte auch sagen: unterschiedliche Stimmen oder Bedürfnisse und Interessen, gleichzeitig in einem Menschen vorhanden sind.
Manchmal kommt es dabei zu Interessenskonflikten; beispielsweise, wenn ein innerer Teil auffordert, sportlich gesund zu leben und daher zum Joggen ermutigen will, während ein anderer Teil eher der Bequemlichkeit den Vorzug gibt und zur Couch lockt.
In der Astrologie werden (in der Regel; das heißt: je nach astrologischer Schulrichtung) zehn verschiedene Teilpersönlichkeiten beschrieben. Sie werden synonym zu den zehn Planeten unseres Sonnensystems benannt. Jeder Himmelskörper steht sozusagen stellvertretend für ein bestimmtes, menschliches Grundbedürfnis. Die zehn Teilpersönlichkeiten nach astrologischer Anthropologie möchte ich Ihnen nun hier vorstellen:
Sonne: der Gestaltungswille
In jedem Menschen steckt der Wunsch, selbst Herr oder Frau seines Lebens zu sein. Die Dinge nicht nur geschehen zu lassen, sondern aktiv anzugehen und mitzugestalten. Dies entspricht dem Archetyp des Königs, der sich als Zentrum seiner Welt versteht und diese Welt nach seinen Maßgaben formt.
Mond: die Bedürftigkeit
Quasi als Gegenkraft zum „Macher“ erinnert uns die Bedürftigkeit daran, dass wir auch nehmen und annehmen möchten; zum Beispiel Streicheleinheiten oder Trost. Während der Gestaltungswille zielgerichtet sein kann, interessiert die Bedürftigkeit nur der Augenblick. Welches Gefühl steht momentan im Vordergrund und bedarf der Aufmerksamkeit?
Merkur: die Kommunikation
Astrologie versteht den Menschen nicht als abgeschottetes Inselwesen, sondern als eine Persönlichkeit, die im Austausch mit seiner Umwelt steht. Merkur zeigt das Austauschinteresse an und auch, auf welche Art und Weise dieser Austausch stattfinden kann. Dabei geht es sowohl um die Aufnahme und Weitergabe von Informationen, als auch um das Entwickeln eigenständiger Ideen und der Fähigkeit, diese seinen Mitmenschen mitzuteilen.
Venus: die Sinnlichkeit
Wenn all unsere Sinne angesprochen werden und funktionieren, erleben wir uns als ganzen Menschen. Wer ohne Sinnesreize auskommen muss, wie das bei manchen Foltermethoden praktiziert wird, droht krank und verrückt zu werden. In der Astrologie geht Sinnlichkeit zudem mit Harmonie oder auch Ausgewogenheit einher. Nicht von ungefähr bildet die Ästhetik in der Philosophie einen eigenen Schwerpunkt. Dabei geht es nicht einfach nur um die Differenzierung zwischen „schön“ und „hässlich“, sondern es geht um die Art und Weise der Sinnlichkeit oder Sinnhaftigkeit, die die Astrologie mit der Bezeichnung „Venus“ verbindet.
Mars: die Selbstbehauptung
Aggression ist zwar im Volksmund oft negativ konnotiert, doch ohne einen kriegerischen Impuls kämen wir im Leben nicht auf die Füße. So steckt in jedem Menschen ein Kämpfer, der sich gegen Angriffe wehrt und Energie aufbringt, die eigenen Interessen zu verfolgen. Auf körperlicher Ebene ist das die Immunabwehr.
Jupiter: die Sinnsuche
Wissenschaftliche Versuche zum Beispiel mit Tauben haben gezeigt, dass der Mensch nicht das einzige Lebewesen ist, das nach Bedeutung sucht. Sicher ist jedoch, dass ohne Bedeutung, ohne Sinn dem Menschen das Leben nicht lebenswert erscheint. Eine Stimme in uns ist daher stets auf der Suche nach dem Sinn. Es ist der Philosoph oder der Theologe in uns, der mit soziologischem oder politischem Blick die Kultur in der wir leben, auf lichtvolle Momente hin durchforstet.
Saturn: die Vorsicht
Sich nicht kopfüber in ein Abenteuer zu stürzen kann lebensrettend sein. Daher ist es vorteilhaft, dass in unserer Psyche ein Zögerer und Zauderer eingewoben ist, der Vorhaben grundsätzlich schlecht redet. Er ist die warnende Stimme, die wir bisweilen auch als Zensor oder inneren Kritiker kennen. Erhält er einen guten Platz und kontrolliert er unsere Pläne moderat, kann er uns vor massiven Schäden bewahren.
Uranus: der Erneuerungswunsch
Der Mensch lebt nicht nur in der Gegenwart, sondern auch für die Zukunft. Er bunkert Vorräte und eignet sich Fähigkeiten an, die er jetzt noch gar nicht anzuwenden weiß. Hinter diesem Verhalten steckt der Wunsch nach Entwicklung und Erneuerung. Routine tötet. Niemand weiß das besser als derjenige, der Tag für Tag den gleichen Trott durchleben muss. Doch in uns steckt eine Kraft zur Veränderung. Eine Kraft, die Neues möglich werden lässt. Astrologisch nennen wir diese Kraft „Uranus“.
Neptun: das Vertrauen
Ein Großteil dessen, was der Mensch in seinem Leben erfährt, gelingt nur mit einem Mindestmaß an Vertrauen. Wer gänzlich ohne Vertrauen ist, darf morgens nicht einmal die Augen öffnen – es könnte Dreck in die Augen kommen. Wenn wir über eine Brücke gehen verlassen wir uns darauf, dass sie halten wird. Begegnet uns auf dem Bürgersteig ein Passant, verlassen wir uns darauf, von diesem Fremden nicht gleich niedergestochen zu werden. Wem das Vertrauen abhanden gekommen ist, wird von großer Angst gelähmt sein.
Pluto: die Transformation
In der Astrologie wird das Pluto-Prinzip auch mit der Bezeichnung „Stirb und Werde“ umschrieben. Darin ist eine Regenerationskraft enthalten, die schmerzliche Erfahrungen, Verluste, Traumata in Nährlösung für neue Formen verwandeln kann. Wir erleben dies, wenn ein hässliches Entlein zu einem schönen Schwan mutiert oder jemand nach einer grässlichen Erfahrung neuen Lebensmut fasst. Einiges, was Sigmund Freud über den Todestrieb geschrieben hat, passt zudem zur astrologischen Pluto-Symptomatik.
Stellen wir uns eine konkrete Situation im Leben eines Menschen vor: Jemand bewirbt sich auf eine begehrte Arbeitsstelle. In diesem Fall wird Mars (Selbstbehauptung) aktiv, um Mitbewerber auszuschalten. Merkur (Kommunikation) brauchen wir, um mit dem potenziellen Arbeitgeber einen guten Draht herzustellen. Dank Saturns Mehrfachkontrolle (Vorsicht) sind die Bewerbungsunterlagen tiptop in Ordnung. Gut möglich, dass Venus (Sinnlichkeit) quengelt, weil sie sich in den schicken Office-Klamotten unwohl fühlt und Mond (Bedürftigkeit) lässt mitten im Bewerbungsgespräch den Magen laut knurren. In jeder Lebenssituation sitzen alle oben genannten Teilpersönlichkeiten mit am Tisch. Dabei erhält mal die eine, mal die andere Qualität den Vorzug. Beim Bungee-Jumping sind vor allem Saturn (Vorsicht) und Neptun (Vertrauen) gefragt, beim romantischen Tete-a-tete eher Venus (Sinnlichkeit) und beim plötzlichen Verlust eines lieben Freundes Pluto (Transformation).
Das individuelle Horoskop nun zeigt, wie diese Kräfte bei jedem Einzelnen miteinander interagieren. Wie gut kommen die verschiedenen Teilpersönlichkeiten miteinander aus? Gibt es eine Kraft, die alle anderen dominiert? Wie schafft man es, auf die jeweils relevanten Persönlichkeitsanteile zu hören? Darüber hinaus zeigen die Tierkreiszeichen, über die wir bisher ja noch kein Wort verloren haben, auf welche Art und Weise sich die einzelnen Stimmen Gehör verschaffen und wie sie agieren. Ein Kämpfer ist immer ein Kämpfer – doch es gibt bekanntlich defensive und offensive Kämpfer. Das Horoskop verrät also nicht nur, wie die Teilpersönlichkeiten miteinander verwoben sind, sondern auch, wie die „Charakterzüge“ der Teilpersönlichkeiten sind. Denn meine Art der Kommunikation (Merkur) ist nicht zwangsläufig identisch mit der Art der Kommunikation, die ein Sitznachbar in der Opernloge an den Tag legt.
Astrologie beweist sich damit als eine „Urform der Psycholgoie“, mit einem entscheidenden Vorteil: Astrologie differenziert die Teilpersönlichkeiten sehr exakt aus und verfügt aufgrund der langen Tradition über Erfahrungswerte, die moderner psychologischer Forschung derzeit noch fehlt. Welche der zehn oben genannten Teilpersönlichkeiten möchten Sie noch besser kennen lernen? Klicken Sie auf folgende Videos:
Bildnachweis: OpenClips via pixabay.de / CC0 Public Domain