Schatten können auch fröhlich winken In der Psychologie versteht man als „Schatten“ einen Persönlichkeitsanteil, der nicht in die Ich-Identität integriert wurde. Was wir abwehren und abzulegen versuchen verschwindet nicht ganz, sondern versteckt sich und taucht dort wieder auf, wo wir am wenigsten damit rechnen. Kurzum: genau das, was uns nicht gefällt, was wir als nicht zu uns zugehörig empfinden, meldet sich als Störenfried. Um den Schatten nicht zu sehen, gibt es eigentlich nur eine Möglichkeit: ständig in der Dunkelheit zu vegetieren. Denn nur dort, wo es permanent stockduster ist, kann auch kein Schatten mehr zu erkennen sein. Doch ist das Leben mit geschlossenen Augen, was ja permanente Dunkelheit ermöglicht, wirklich eine gute Lösung?
Wo Licht ist, ist auch Schatten, sagen wir – und das zurecht. Wir brauchen das Licht der Erkenntnis, um unsere Schattenanteile wahrzunehmen. Es geht nicht darum, den Schatten loszuwerden, sondern darum, mit ihm eine friedliche Koexistenz einzugehen. Womöglich erweist er sich im Laufe der Zeit ja sogar als nützlich.
Peter Schlemihl
Die Geschichte des Dichters Albert von Chamisso mit dem Titel „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ ist ein schönes Beispiels dafür. Der Hauptfigur begegnet ein wohlhabender grauer Herr, der ihm gegen einen Sack voll Gold, dessen Inhalt nie leer wird, seinen Schatten abkauft. Kein Problem, denkt sich Peter Schlemihl – und wer würde nicht gerne fehlerfrei sein, eine reine Lichtgestalt, ohne Makel, ohne dunkle Seite? Doch schon bald erkennt der Protagonist, dass er einen schlechten Handel eingegangen ist. Denn schattenlos mag man ihn nicht. Die Gesellschaft meidet und verspottet ihn, er wird ausgegrenzt und muss sich verstecken. Das, wonach er sich am meisten sehnt, nach Liebe, nach der Liebe zu Mina, bleibt ihm als schattenloses Wesen versagt.
Umgangssprachlich formulieren wir manchmal, dass es die kleinen Macken sind, die unserem Partner so liebenswert machen. Kann sein. Sicher ist, dass ein makelloser Partner uns selbst überfordern würde. So sehr wir uns auch über seine Fehler aufregen: sie helfen uns, uns selbst weiter zu entwickeln.
Möglicherweise begegnet uns bei unserem Partner unser eigener Schatten. Aber auch ohne feste Beziehung werden wir immer wieder mit unseren verdrängten Themen konfrontiert. So lange, bis wir sie ins Licht holen. Je mehr wir verdrängen wollen, um so anstrengender wird die Sache – und erfolglos bleibt sie ohnehin.
Es war Carl Gustav Jung, der den Begriff des Schattens in die Psychologie einführte. In der von ihm geprägten Analytischen Psychologie unterscheidet man zwischen „Ich“ und „Selbst“. Während das Ich die bewussten Anteile beschreibt, mit denen ein Mensch sich identifiziert und die zu seinem Selbstverständnis gehören, umfasst das Selbst auch jene Teile, die zwar zu einem gehören, die einem aber fremd sind, die abgelehnt werden, verdrängt werden sollen und im Unbewussten schlummern.
Ursachen für Schatten
Wie kommt es nun dazu, dass bestimmte Persönlichkeitsmerkmale unbewusst bleiben? Dafür kann es viele Gründe geben. Zum Beispiel gesellschaftliche Verbote. Ein Homosexueller, der in einem Land lebt, in dem Homosexualität geächtet und womöglich mit der Todesstrafe bedroht ist (wie z.B. zur Zeit im Iran), wird sein Verlangen nach Nähe zu einem anderen Mann versteckt halten; koste es, was es wolle. Aber auch Verbote im näheren Umfeld, also durch frühe Familienerfahrungen, führen zu dem gleichen Ergebnis. Der Tochter, der snobistischen Intellektuellenfamilie wird Toben und Brüllen nicht zugestanden. Ihre Lebendigkeit und ihre Direktheit verunsichern die Eltern. „Das macht man nicht“, heißt es. Das abhängige Kind wird also seine Vitalitätsausbrüche zügeln und deckeln und somit zu einem Schatten verdrängen. manchmal fürchtet man sich auch selbst vor einem Charakterzug oder einem Talent. Eine große Redebegabung könnte ja dazu führen, dass man vor großen Personengruppen reden muss. Also wird die Redebegabung negiert und landet im Schattenreich der eigenen Persönlichkeit. So beugt man dem Stress vor, sich womöglich vor einer großen Personengruppe zu blamieren.
Der Schatten als Chance
Damit ist ein wichtiger Aspekt angesprochen: oftmals handelt es sich bei Schattenthemen um ungelebte Talente. Schattenthemen, die wir als Störung empfinden, sind eigentlich Wesensmerkmale der Persönlichkeit, die uns als Geschenke in die Wiege gelegt wurden. Wir brauchen sie, um uns vollständig, ganz und glücklich zu fühlen. Ohne Schatten sind wir, wie Peter Schlemihl, aus unserem eigenen Leben ausgeschlossen.
Ist beispielsweise Venus ein astrologisches Schattenthema, so erscheint sie bei dem entsprechenden Menschen in abgewerteter Form. Man ist dann verkopft, unhöflich, unsinnlich oder gar schlampig. Man spricht schlecht über Frauen und hält Kompromisse für überschätzt. Doch eigentlich versteckt sich dahinter ein Mensch, der sinnenfreudig ist, weich, sympathisch und ausgleichend. Der auf andere zugehen und Verbindungen schatten kann. Der Weibliches anerkennt und Freude an Schönheit und Ästhetik hat.
In Astrologenkreisen finden sich Gedanken der Jung’schen Psychologie wieder und gerade für die Schattenthematik eignet sich die Arbeit mit dem eigenen Horoskop. Denn das Geburtshoroskop offenbart Talente und Sorgen, Chancen und Risiken. Es gibt mehrere Hinweise, welche Persönlichkeitsmerkmale eher dazu neigen, als unvereinbar mit dem Ich zu erscheinen. Das sind beispielsweise Pluto-Konstellationen. Denn die Erfahrung lehrt, dass alles, was mit Pluto zu tun hat, gegen den eigenen inneren Widerstand, gegen Angst und Ohnmachtgefühle durchgesetzt werden muss. Auch „ausgeschlossene“ Planeten, solche, die Außenseiterposition haben, werden viel schwerer in das eigene Ich-Bild integriert, als solche, die ohnehin immer mit am Tagesgeschehen teilhaben. Solche ausgeschlossenen Planeten sind beispielsweise Planeten, die keine Aspekte zu anderen Planeten bilden, die rückläufig sind oder konträr zu den meisten anderen Horoskopfaktoren stehen. Der Astrologe H. Christian Meier-Parm (1905 – 1987) nannte diese Planeten „Spannungsherrscher“. Als Spannungsherrscher bezeichnet man einen Planeten, der alleine allen anderen Planeten gegenüber steht. So, wie in diesem Beispiel.
Mond als Außenseiterplanet
Hier erkennt man, dass Mond in Relation zu den anderen Planeten „irgendwie auffällig“ steht. Es kommen dabei mehrere Faktoren zusammen:
- als einzelner Planet steht er auf der „Du-Seite“ (2. + 3. Quadrant)
- er steht somit sozusagen allen anderen Planeten gegenüber (auch ohne in Opposition im Sinne einer 180°-Verbindung zu sein)
- er steht im Löwen nicht gerade stark (ist zwar traditionell weder Exil noch Fall, aber das Zeichen des anderen Lichts, der Sonne)
- zusätzlich ist er über keinen Hauptaspekt mit anderen Planeten verbunden
Mond steht in der Astrologie für Gefühle. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Mensch mit diesem Geburtshoroskop Probleme hat, seine eigene Bedürftigkeit zu empfinden, zu benennen und dafür zu sorgen, es sich seelischen gut gehen zu lassen, ist hoch. Aber bitte nicht vergessen: es ist deswegen trotzdem möglich! Durch gezielte Hinwendung zum Schattenthema kann man die positive Qualität dieses verdrängten Anteils erfahren. Das geschieht nicht allein über den Verstand, sonder will ausprobiert, gelebt, erfahren werden.
Ist Mond ein Schattenthema, so böte sich an, die kindliche Sicht auf die Welt zu forcieren. Eine Kuschelecke in der Wohnung könnte ein Ort sein, an dem man mit seinem inneren Mond in Kontakt kommt. Das ist dem Menschen mit verdrängter Emotionalität peinlich. Eine Kuschelecke! So was bescheuertes! Wie kindisch! Doch oft sind es die „verrückten“ Methoden, die am besten greifen. Denn wir werten die Vorgehensweisen ja gerade deshalb ab, weil sie erfolgversprechend sind. Auch bei allem Leid: Veränderung macht Angst. Wer beraterisch oder therapeutisch tätig ist, erlebt dies tagtäglich. Gerade deshalb ist es wichtig, einen sanften und sicheren Weg zu wählen. Der ist stets individuell – und wenn es nicht die Kuschelecke ist, dann gibt es ja noch zahlreiche andere Zugangsmethoden zum inneren Mond.
Nur eines sollten wir uns nicht in die Tasche lügen: Schattenthemen sind zwar verdrängt, aber das heißt noch lange nicht, dass sie sich nicht zeigen. Als Schattenthemen zeigen unsere Talente eine hässliche Fratze. Wie schön wäre es, wenn wir ihre Kraft und Unterstützung wahrnehmen könnten. Und das können wir! Astrologie ist eine Methode, die eigenen verdrängten Anteile anzusehen.