Manchmal, wenn in lockerer Runde die Rede auf meinen Beruf als Astrologe kommt, fragen mich meine Gesprächspartner, ob ich nicht ihr Sternzeichen erraten könne – oder wenigstens den Aszendenten. Das Aszendentenraten ist auch unter Kolleg/innen nicht immer verpönt. Meine Standardantwort lautet: „den Aszendenten errat‘ ich nie“.
Nicht etwa, dass ich eine schlechte Trefferquote fürchte – vielmehr geht es darum, dass das Raten in der Astrologie nichts zu suchen hat. Warum sollte ich einen Aszendenten erraten, wenn er sich doch so einfach ausrechnen läßt? Welche Erkenntnis hat mein Gegenüber, wenn ich mit einer Antwort aufwarte á la „mit Ihren weichen Gesichtszügen, Ihrer stillen Art und den treuen, feuchten Augen mit dem geheimnisvollen Blick haben Sie bestimmt einen Fische-AC“? Dass ich einen Blick als „treu“ oder „geheimnisvoll“ wahrnehme, kann ich auch ohne Astro-Vokabular sagen.
Astrologie ist eine methodische Herangehensweise an die Welt und an die nie verstummenden Fragen lebendiger Menschen. Astrologie ist in diesem Sinne „nur“ Methode – nicht Antwort, nicht das Leben selbst. Sie ist ein Hilfsmittel.
Wie jede andere Methode (humanistische Psychologie, Reinkarnationstherapie, Behaviourismus, allopathische Schulmedizin, Graphologie, Physik und so weiter und so fort) fußt sie auf einem eigenen philosophischen Urgrund, der die Basisannahmen über das Wesen des Menschen beschreibt. Dieser Urgrund der Astrologie könnte in etwa lauten: der Mensch ist eingebunden in kosmische Zyklen, die sich in Analogie am gestirnten Himmel ablesen lassen; wie oben so unten. Von dieser Grundannahme läßt sich ein „gesundes“ Leben beschreiben. So gehen Astrologinnen und Astrologen davon aus, dass das Sich-Einfügen in die Rhythmen, in die Zeitqualität, die im Radix, also im Geburtshoroskop, und seinen Berührungspunkten (Transite, Progressionen, Solare etc.) beschrieben werden, den Menschen zu einem glücklichen, lebenskräftigen Dasein verhilft; er entfaltet seine Potentiale und meistert „schwierige Aspektierungen“ seines Horoskops vorbildlich. Gelingt dies jedoch nicht und es bleiben Horoskopanteile ungelebt, werden verdrängt oder verzerrt, auf Partner projiziert oder auf einer destruktiven Ebene (wer bestimmt eigentlich, was destruktiv ist und was nicht?) ausagiert, so liegt nach astrologischer Sicht eine „Störung“ vor. Der Mensch ist unglücklich, krank oder einfach arm dran.
In solch einer Situation empfehlen wir eine tl_files/bilder_inhalte/pfeil.gif astrologische Beratung aufzusuchen. Schließlich ist unser diagnostisches Instrument, nämlich die Deutung des Geburtshoroskops, ein Königsweg von vielen, dem Menschen wieder zu sich selbst zu verhelfen und ihm Wege zu seiner eigenen Mitte aufzuzeigen. Aus der Beratung entlassen, muss er selbst eigenverantwortlich handeln, was ihm bei einem fachlich guten Berater dank lösungsorientierter Vorgehensweise nicht schwerfallen dürfte.
All dies geht nicht ohne das tl_files/bilder_inhalte/pfeil.gif Horoskopbild. Vielleicht lassen sich Teile dieses Verfahrens ohne persönliches Gespräch realisieren, also mittels eines astrologischen Gutachtens, eines Deutungstextes – wenn ja, dann allerdings mit Qualitätsabstrichen. Das erkläre ich auch immer denjenigen, die nach solch einem Text anfragen. Ein Gutachten ist nicht nur wesentlich teurer als eine astrologische Beratung, sondern obendrein flacher, oberflächlicher. Der Text kann das Gespräch nie ersetzen.
Mit Sicherheit können wir keine Astrologie ohne astrologisches Handwerkszeug betreiben. Astrologie ohne eine Symbolzeichnung ist eben keine Astrologie. Das Erraten des Aszendenten mag ein Party-Gag sein, wie Flaschendrehen für Erwachsene, oder ein aussageloses Kräftemessen miteinander konkurrierender Hobby-Astrologen. Was würden Sie von einem Mediziner halten, der in der Kneipe Ihre Blutgruppe zu erraten versucht?
Wenn das Handwerkszeug zwingende Voraussetzung ist, astrologisch zu arbeiten, dann muss es auch korrekt sein. Dann benötige ich tatsächlich das „richtige“ Horoskop für eine „richtige“ Deutung und eine hilfreiche, klientenzentrierte Beratung. Daher schicke ich Klient/innen wieder fort, die keine Geburtszeit nennen können oder nur eine vage Vorstellung davon haben. „Irgendwann zwischen 7 und 9“ genügt eben nicht, wenn man weiß, dass bereits alle vier Minuten der Aszendent um ein Grad weiter rückt. Die genaue Geburtsuhrzeit lässt sich in Deutschland unkompliziert beim Standesamt des Geburtsortes erfragen.
Astrologie wird als Unterhaltungsinstrument eingesetzt: als Party-Gag, als Zeitschriften-Füllsel, als Zuckerwürfelaufdruck. Doch mit dem, was Astrologie wirklich kann, hat all dies nichts zu tun. Astrologie ist eine ernstzunehmende Lebenshilfe. Sie ist nicht die Antwort auf alle Fragen, doch sie ist ein wertvolles und hilfreiches Mittel, um viele Fragen die die eigene Persönlichkeit, das Werden und Sein und das eigene Leben zu beantworten.