Gebeugt erst zeigt der Bogen seine Kraft (#1)
Rückläufiger Mars im Geburtshoroskop
Mars ist ein Automatismus. Er äußert sich durch Spontaneität, Impulsivität und Handeln ohne Zögern. Das ist auch gut so. Denn Mars ist ein Protektor. Er schützt. Genauso wie das Immunsystem, das Astromedizinerinnen mit dem roten Planeten in Verbindung bringen. Mars ist der Teil in uns, der uns beisteht, uns vor Übergriffigkeit zu schützen. Zudem versorgt er uns mit Power, uns zu nehmen, was wir zum (Über)leben brauchen. Mars ist Wille und Kraft – und Wut, wenn wir nicht kriegen, was uns zusteht. Er ist auch der Anlasser und Zündfunke, der uns in Bewegung setzt. Fehlt Mars, fehlen die Startenergie, das Durchsetzungsvermögen, die Abwehr und die Tatkraft. Es fehlt der Antrieb und mit ihm auch der Trieb per se: ohne Mars keine Sexualität. Mars ist auch Auseinandersetzung. Er hilft, uns in der Welt zu behaupten. Somit ist er auf das Außen bezogen. Er vertritt das Ich im Außen. In der Analogie entspricht er dem 1. Haus, also dem Aszendenten. Dieser muss als Achse mit dem Deszendenten verbunden interpretiert werden. Mars stellt die eigenen Interessen in der Begegnung in den Vordergrund.
So weit so gut. Und was, wenn genau dieser Mars im Geburtshoroskop rückläufig ist? Die Kräfte rückläufiger Planeten seien, so heißt es in astrologischen Fachkreisen, nach Innen gekehrt. Mars, als Planet der nach außen drängt, wendet sich nun nach Innen? Wie soll das gehen?
Intrinsische Motivation
Wird die Mars-Kraft nach innen gerichtet, bleibt sie dennoch eine Mars-Kraft. Die Motivation allerdings kann der Horoskopeigner nun aus sich selbst schaffen. Während Mars direktläufig oft reaktiv ist, also, wie oben beschrieben, auf die Außenwelt reagiert, auf Aggressoren und Reize, fördert der retrograde Mars die intrinsische Aktivität. Menschen mit rückläufigem Mars mögen daher zunächst bedürfnisloser erscheinen. Das wäre jedoch eine Falschdeutung. Sie hechten eben nur nicht jeder aktuell durchs Dorf getriebenen (Marketing-)Sau hinterher und springen auch nicht über jedes Stöckchen, das ihnen jemand hinhält. Der Mensch mit rückläufigem Mars in der Radix entscheidet vom sich aus, von innen heraus, worauf er seine Aktivitätsenergie richtet. Dabei kann es auch zu einem Konflikt kommen, der eben von außen nach innen verlagert wurde. Statt mit einem Kontrahenten zum Beispiel am Arbeitsplatz, in der Ehe, im Straßenverkehr oder im Freundeskreis zu kämpfen, findet das Gegeneinander in der eigenen Persönlichkeit statt. Das lässt sich bereits an astronomischen Gegebenheiten ablesen: Mars kann nämlich nur in Opposition (oder Quinkunx) zur Sonne rückläufig werden. Das heißt: der eigene Wesenskern, die individuellen Ziele und Identifikationsmerkmale werden als widersprüchlich empfunden zu dem, was einen antreibt und herausfordert. Je exakter die Opposition, um so gravierender diese Empfindung. Eigentlich ist Mars als Zuarbeiter der Sonne gedacht. Mars ist das Symbol für den Archetyp des Ritters, der im Dienste des Königs, symbolisiert von der Sonne, steht. Der Ritter legt sich nicht für sich selbst ins Zeug, sondern für seinen Herrn. Steht er nun in Opposition zum König, kann ein Interessenkonflikt aufklaffen.
Destruktiver Mars
Insofern wundert es nicht, wenn wir in der astrologischen Fachliteratur lesen, dass der rückläufige Mars im Geburtshoroskop Schwierigkeiten bereiten kann. Da ist von Autoaggression die Rede; also von Wut, die sich nicht nach außen, sondern auf sich selbst richtet. Genau dies kann eine Folge der Sonne-Mars-Opposition sein: der Krieger kämpft dann gegen den eigenen König, die Aggression richtet sich gegen die eigene Persönlichkeit. Eine weitere destruktive Variante dieser Konstellation ist unterdrückte Wut. Statt seinem Ärger Luft zu machen, ballt man die Faust in der Tasche und schluckt Zorn hinunter. Das kann weitreichende Folgen für Körper, Seele und Geist haben – Depressionen sind eine mögliche Ausprägungsform, aber auch somatische Erkrankungen, die aufgrund innerer Anspannung und Stress entstehen. Sich nicht oder nicht angemessen zur Wehr setzen zu können, kann auch Risiken im Alltagsleben mit sich bringen; vor allem, wenn man in einer Umgebung lebt, in der Faustrecht gilt. Sich den eigenen Weg freizukämpfen ist eben keine Kernkompetenz des rückläufigen Mars. Ein prominentes und zugleich tragisches Beispiel dafür ist Rodney King.
Selbstsabotage
Rodney King – der Name bedeutet so viel wie „ruhmreicher König“; aber dieser Namensverpflichtung wurde der US-Amerikaner nicht gerecht. King war eine Kämpfernatur mit überbordenden Impulsen, was die starke Widder-Betonung mit Sonne, Mond, Merkur und Venus in Widder sowie Jupiter in Haus 1 zeigt. Doch die Widder-Planeten sind im 12. Haus eingeschlossen, Jupiter steht isoliert und aspektlos. Der rückläufige Mars ist damit nicht mehr und nicht weniger als eine Wiederholung der anderen Mars-Widder-Haus-1-Themen: Wollen, aber nicht Können; Kraft, aber nicht greifbar; die geballte Faust, aber an der gefesselten Hand. Rodneys Biografie ließe sich als Versagergeschichte erzählen: abgebrochene Schulzeit, ausbildungsloser Jobber, instabile Beziehungen, mehrfacher Vater, stets knapp bei Kasse. Zugleich wurde er von Freunden und Bekannten als „echter Gentleman, gütig, still und schüchtern“ (#2) beschrieben. Astrologisch gesehen sind dies keine Widersprüche: bei rückläufigem Mars gibt man schnell auf, wenn der Widerstand zu groß wird. Statt sich in Schule oder bei Beziehungskonflikten durchzubeißen, für sich selbst einzustehen und mehr Energie für den Erfolg zu investieren, besteht das Risiko bei retrogradem Mars darin, zu früh abzuwinken, dem Schicksal die Schuld zu geben und den Weg des geringsten Kraftaufwandes zu wählen. Der rückläufige Mars erweist sich dann als Mittel zur Selbstsabotage.
Stellvertretertypus und Projektionsfläche
Eine Mars-Energie lässt sich jedoch nicht dauerhaft unterdrücken und kann sich dann explosionsartig entladen. Rodney King beging schließlich einen Raubüberfall. Er wurde geschnappt, zu zwei Jahren Haft verurteilt und kam ins Gefängnis; nur eine von insgesamt sieben Verurteilungen in seinem Leben. Nach einem Jahr erfolgte wegen guter Führung eine vorzeitige Haftentlassung mit Bewährungsauflagen.
Der 3. März 1991 sollte zu einem Wendepunkt in seinem Leben führen. Die Bewährung lief noch, während er betrunken und bekifft mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit auf einem Highway der Polizei auffiel. Diese wollte ihn stoppen, doch Rodney startete die Flucht. Er hatte Angst, wieder hinter Gitter zu kommen. Mit zahlreichen Streifenwagen und Huberschraubern nahmen die Cops die Verfolgungsjagd auf und stellen den Raser schließlich. Was dann passierte, filmte heimlich ein Anwohner – und stellte seine Videoaufnahme ins Internet. Neuneinhalb Minuten umstellten 21 Polizeibeamte den am Boden liegenden, geteaserten, schwarzen Autofahrer. Drei weiße Uniformierte beschimpften ihn als „Nigger“, schlugen mit Schlagstöcken auf ihn ein, traten ihn mit ihren Stiefeln, prügelten den Afroamerikaner fast bewusstlos. 56 Stockschläge, diverse Fußtritte und Teaserschocks hatten einen Schädelbruch, ausgeschlagene Zähne, diverse Knochenbrüche, Nieren- und Gehirnschäden und – verständlicherweise – ein psychisches Trauma zur Folge. Ohne das Zeugenvideo, wüsste die Welt allerdings nichts davon. Da Rodney King schon längst gestellt war und keine Gegenwehr mehr eisten konnte, als er verprügelt wurde, interpretierte die Weltöffentlichkeit das Vorgehen der Cops als Amtsmissbrauch, Misshandlung und rassistisch gewalttätigen Übergriff von Staatsbeamten.
Ein Jahr später wurden die beteiligten Polizisten vor ein Gericht gestellt und von allen Misshandlungsvorwürfen freigesprochen. People of Color (#3) waren nicht unter den Geschworenen.
An diesem Freispruch entzündeten sich die größten Rassenunruhen in der Geschichte Los Angeles. Angestaute Wut der schwarzen Bevölkerung expoldierte und entlud sich in Gewalt. 53 Menschen starben, mehr als 2.000 erlitten Verletzungen, ein Sachschaden von über einer Milliarde Dollar entstand. Die Politik versuchte, mit Ausgangssperren und Militäreinsätzen der Lage Herr zu werden. Rodney King wurde zur Symbolfigur, zu einem Helden, zum Gesicht auf Merchandise-Artikeln.
Bei diesem Beispiel zeigt sich eine weitere Facette des rückläufigen Mars: die Energie kann eben nicht nur nach innen gerichtet und intrinsisch gelebt werden, sondern rückläufige persönliche Planeten bilden auch eine Projektionsfläche. Man sieht in ihnen etwas; einen Initiator, einen Aggressor oder einen mutigen Menschen – auch wenn sie selbst das von sich nicht so sagen würden.
Der eingebildete Kranke
Zusammen mit Sonne ist Mars zudem ein Planet der Vitalität. Er energetisiert, bringt das Blut zum Kochen, aktiviert Muskeln, schüttet Adrenalin aus und sorgt für ein kraftvolles Dasein im Leben. Mars ist der junge Kerl, der ohne Zipperlein morgens mit Elan aus dem Bett springt, um die Welt zu erobern. All das bleibt er auch während der Rückläufigkeitsphase. Allerdings mischen sich dann Zweifel und Sorge hinzu. So wundert es nicht, dass Menschen mit rückläufigem Geburtsmars ihren Körper oft mit akribischer Furchtsamkeit betrachten. Es zieht in der Leiste, es drückt an der Hüfte: ab zum Arzt! CT oder MRT! Kopfschmerz? Das muss ein Hirntumor sein! Sind die Augen nicht ein bisschen gerötet und dieser Pickel, war der gestern schon da? Was sagt Doktor Google eigentlich über Lebererkrankungen und könnte es nicht sein, dass die Galle nicht so richtig mitspielt? Bei ungelebten Kräften besteht immer das Risiko, dass etwas somatisiert wird und sich als Krankheit äußert. Dennoch lässt sich vermuten, dass der mit retrogradem Vitalplanet Geplagte nicht mehr Krankheiten bekommt als der Durchschnittsmensch. Da durch die Rückläufigkeit die Aufmerksamkeit jedoch stärker nach innen, auf sich selbst, auf die eigene Vitalität gerichtet ist, kann es aber passieren, dass er sich kränker und schwächer fühlt, als er eigentlich ist. Er wird die Erfahrung machen, dass Ärzte ihn als weitgehend gesund einstufen und bei all den Blut- und sonstigen Untersuchungen kaum mehr Auffälligkeiten zu erkennen sind, als bei anderen Patienten. Im Gegenteil: durch die ständige Selbstbeobachtung, eventuell verbunden mit stärkerer Schonung und risikoärmeren Verhalten, wird der Mensch mit rückläufigem Mars in der Regel beim Gesundheitsvergleich sogar etwas besser dastehen. Hypochondrie hat eben auch ihr Gutes, zum Beispiel, wenn sie die Betroffenen zu regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen und gesundheitsbewusstem Verhalten treibt.
Der unmännliche Mann
Ebenso wenig wie man Äpfel mit Birnen vergleichen kann, kann man Eckhart Tolle mit Donald Trump vergleichen. Dennoch wagen wir es einmal. Wer der beiden versucht mehr, ein klassisches, konservatives Männerbild an den Tag zu legen? Wer will ein starker Macher sein, wem ist das offenbar weniger wichtig? Wer braucht den Applaus für seine (vermeintlichen) Heldentaten und wer ruht in sich, auch wenn die Öffentlichkeit nicht seiner Person huldigt? Beide Kerle haben in ihrer Radix Mars in Löwe; nahe beieinander, einmal auf 26 und einmal auf 28 Grad. Doch in einem Fall ist eben dieser Mars retrograd. Versierte Astrologinnen müssen nicht lange rätseln: es ist Eckhart Tolle, bei dem Mars seine Rückwärtsschleife eingelegt hat. Damit verweigert sich Tolle dem Macho-Image und entwickelt eine eigene Variante von Männlichkeit.
Bei Männern kann der rückläufige Mars als Vorwurf von außen wahrgenommen werden, nicht männlich genug zu sein. Man wird als Weichei, Schwächling oder Taugenichts beschimpft oder belächelt. Im Ränkespiel um eine Partnerin scheint man für die Platzhirsche keine Gefahr darzustellen. In der Macho-Hierarchie wird einem ein Platz unten zugewiesen. Gerade, wenn man als junger Mann auf der Suche nach seinem Männlichkeitsbild ist, kann das Probleme verursachen. Nämlich, wenn man neidisch auf die „starken Macher“ schaut, mit denen man nicht mithalten kann. Es braucht Zeit, bis man versteht, dass die die Wettkämpfe in ganz unterschiedlichen Disziplinen ausgetragen werden. Wer wollte behaupten, dass Ringen die bessere Sportart sei als Brustschwimmen? Seit Autorennen und Boxkämpfe die Beliebtheit von Golf und Tennis abgelöst haben und Softies als Langweiler gelten im Vergleich zu den bärtigen Holzfällertypen, die offenbar en vouge sind, geraten Männer mit rückläufigem Mars wieder mehr ins Hintertreffen. Auf der Suche nach der eigenen Rolle gehen sie nicht selten verschlungene Wege. Häufig ist eine starke Auseinandersetzung mit den vorgefertigten Rollenklischees zu finden. In Kombination mit anderen Horoskop-Faktoren bisweilen auch dadurch, dass ein positives männliches Vorbild im Elternhaus nicht vorhanden war; bei Eckhart Tolle beispielsweise angezeigt durch die Wassermann-Sonne, die auf ein distanziertes Vater-Vorbild schließen lässt.
Unterdrückter Sexualtrieb
Dass Mars auch ein Signifikator für sexuelles Begehren ist, ist hinlänglich bekannt. Wie sich die Rückläufigkeit dort auswirkt, hat ein Mann erforscht, der selbst mit einem rückläufigen Mars im Horoskop auf die Welt kam: Sigmund Freud.
Der Österreicher verfügte wohl nicht über astrologisches Know-how, hat sich aber dem unterdrückten Mars ausführlich gewidmet, als er zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Sexualtheorie als Teil seiner Triebtheorie beschrieb. Dabei stellte er zwei Prinzipien als Antagonisten gegenüber: das Lustprinzip und das Realitätsprinzip. Das Lustprinzip kann mit den Planeten Mond und Mars, das Realitätsprinzip mit den Planeten Saturn und Venus, also jeweils den Herrschern des Gegenzeichens assoziiert werden. (#4) Ob nun, wie von Freud postuliert, das Bewusstwerden dieses Konflikts ein Lösungsweg ist oder, wie von Wilhlem Reich vorgeschlagen, ein Ausleben der Sexualität, mag dahingestellt bleiben. Tatsache bleibt, dass sich der Planet der Triebe und der Lust, des Animalischen und der Libido, nicht immer unmittelbar ausdrücken kann – jedenfalls nicht in einem zivilisatorischen Kontext. Nun ist es jedoch so, dass nicht nur Menschen mit retrogradem Mars ihr sexuelles Begehren unterdrücken, sondern auch Menschen mit direktläufigem Mars. Freud löst das mit der Idee der Neurose: „Sie (Die Psychoanalyse H.F.) zeigt, daß die Symptome keineswegs allein auf Kosten des sogenannten normalen Sexualtriebes entstehen (wenigstens nicht ausschließlich oder vorwiegend), sondern den konvertierten Ausdruck von Trieben darstellen, welche man als perverse (im weitesten Sinne) bezeichnen würde, wenn sie sich ohne Ablenkung vom Bewußtsein direkt in Phantasievorsätzen und Taten äußern könnten. Die Symptome bilden sich also zum Teil auf Kosten abnormer Sexualität; die Neurose ist sozusagen das Negativ der Perversion“. (#5) Der „konventierte Ausdruck“ entspricht der Idee des rückläufigen Mars. Doch während es für Freud nur die beiden Extreme Sublimation und Perversion gegeben haben mag, sind sowohl astrologische als auch sexualwissenschaftliche Fachkreise heutzutage zu der Überzeugung gekommen, dass es auch andere, gesunde Formen geben kann, zurückgehaltene Triebe zu leben. So spielt bei rückläufigem Mars die Vorstellung eine größere Rolle als das Tun. Sexuelle Fantasien sind reichhaltig bei Menschen mit rückläufigem Mars, ihre Neugier auf das, was womöglich jenseits der Norm liegt, ist groß – doch sie wissen auch, dass sie nicht alles erleben und mitmachen müssen. Die Vorstellungswelt alleine hat eine energetisierende Kraft.
Rückläufiger Mars konstruktiv
Bleibt für Menschen mit rückläufigem Mars im Geburtsbild nur der Opferstatus? Sind sie ausschließlich aggressionsgehemmte Hypochonder? Wenn ja, wäre der Kosmos ein fieser Geselle. Wie wäre es, davon auszugehen, dass jede astrologische Konstellation eine gute Absicht verfolgt? Jede noch so schwierig aussehende Planetenstellung ist letztlich nichts anderes, als ein besonderes Geschenk, eine Gabe, ein Talent, eine Krone auf der Krone der Schöpfung. Auch der rückläufige Mars darf als eine Auszeichnung verstanden werden, auf die alle direktläufigen Marsianer neidisch werden könnten.
Zu den besonderen Chancen und Annehmlichkeiten zählen unter anderem:
- Menschen mit rückläufigem Geburtsmars können sich aus stressigem Wettbewerb raushalten. Das ständige Sich-Vergleichen ist anstrengend; wie gut, wenn man Dank Mars retrograd darauf verzichten kann.
- Stärke liegt in einem selbst. Man braucht sich nicht in der Außenwelt beweisen und ist zugleich an seine eigene Kraftquelle angeschlossen.
- Ganz besonders zu betonen ist, dass Menschen mit rückläufigem Mars Friedensstifter-Qualitäten haben. Zunächst streiten sie tendenziell wenig oder nur, wenn es unumänglich ist. Aber es geht darüber hinaus. Ein friedliches Miteinander ist ihnen oft über ihren persönlichen Wirkungskreis hinaus wichtig. Sie sind daher Botschafter*innen der Abrüstung, wie etwa die Friedensnobelpreisträger*innen Emily Greene Balch, Martin Luther King und Bertha von Suttner, die alle einen rückläufigen Mars im Horoskop haben.
Mars als Friedensstifter
Vor allem der letzte Punkt verdient Beachtung. Die Qualität dieser Planetenkonstellation entdeckt man nämlich erst, wenn man den Blick nach innen wendet: die wahre Stärke liegt in einem selbst verborgen. Das Nachmachen vorgegebener Verhaltensmuster führt zu Frustration. Statt Kopieren ist Kapieren angesagt. Nämlich kapieren, dass man die Erlaubnis hat, seinen eigenen Weg zu gehen. Streitet man zum Beispiel so, wie andere das tun, wird man dabei wenig erfolgreich sein. Da ein Konflikt keinen Selbstzweck verfolgt, wie das bei direkläufigen Mars-Geborenen der Fall sein kann, wird vor einer Streit-Eskalation der Nutzen für alle abgewogen. Howard Sasportas verdeutlichte, wie sich das darstellen kann, am Krieg zwischen England und Argentinien, dem Falkland-Krieg. (#6) Als Großbritannien seinem Kontrahenten offiziell den Krieg erklärte, war Mars gerade rückläufig; und zunächst geschah erst mal gar nichts. Denn die britische Marine benötigte etwa zehn Tage, um zu den Falkland-Inseln zu gelangen. Der Horoskopeigner mit rückläufigen Mars verhält sich ähnlich. Auf Ungerechtigkeit, Aggressionen oder Bedrohung mag er einerseits direkt und durchschlagend aufbegehren, aber die Hand, die bereits zur Faust geballt wurde, bleibt zunächst doch in der Tasche. In diesem Augenblick erhält der Frieden noch mal eine Chance. Entscheidend ist, was nun passiert. Finden sich diplomatische Wege? Muss zur eigenen Selbsterhöhung wirklich der Sieg errungen werden? Viele Menschen hatten sich 1982 gefragt ob es richtig war, dass das britische Empire wegen ein paar kaum bewohnter Inselchen in 15.000 Kilometer Entfernung knapp 1.000 Tote plus mehr als 2.400 Verletzte provozierte.
Mit der Rückläufigkeit des Kriegsplaneten ist ein Gespür für Gleichberechtigung angezeigt. Konkurrenz kennen die Horoskopeigner nicht in dem Umfang, wie andere. Denn mit dem nach innen gewendeten Symbol für Wettkampf gilt es vornehmlich, sich selbst zu besiegen. Menschen mit dieser Marsstellung messen ihre Taten und Leistungen in erster Linie an sich selbst. Sie wissen, dass es darum geht, die eigene Trägheit zu überwinden und nicht nur als der Bessere von Zweien dazustehen. Auch wenn es schwer fallen sollte, für sich selbst einzustehen: für andere klappt es wunderbar. Insofern ist der rückläufige Mars ein guter Indikator für soziale Berufe gesellschaftliches Engagement und geborene Helden.
Stille Pioniere
Auch der Vorwurf des scheuen Konservatismus greift bei genauerer Betrachtung nicht. Menschen mit rückläufigem Mars mögen zwar bisweilen als risikoscheu erscheinen, da sie Aufbrüche gerne in die Zukunft verschieben. Wer ihnen jedoch unterstellt, am ewig Gestrigen zu kleben, liegt falsch. Sie sind durchaus auf Neues ausgerichtet. Nur machen Sie kein lautstarkes Brimborium um den Start in die Zukunft. Sie sind ruhige Pioniere, die sich still und heimlich freuen, sobald sie im Dschungel des Lebens einen neuen Pfad geschaffen haben.
So sind Menschen mit rückläufigem Mars stille Abenteurer mit einem eigenen Kraftwerk, können aus sich selbst heraus agieren und müssen sich nicht im Wettkampf mit anderen messen, sie tragen zu Entspannung in konfliktbelasteten zwischenmenschlichen Momenten bei, setzen ihre Kräfte ressourcenorientiert ein, achten auf ihre Vitalität und entwickeln eine Eigenständigkeit, die von andere Menschen oft bewundert wird.
Fußnoten
1) Der Titel ist ein Zitat aus dem Drama „Sappho“ von Franz Grillparzer.
2) www.spiegel.de/panorama/leute/zum-tod-von-rodney-king-a-839418.html
3) Der Begriff People of Color (im Singular: Person of Color) ist eine Selbstbezeichnung von Menschen, die Rassismus erfahren.
4) Saturn entspricht den gesellschaftlichen Regeln, Venus dem zivilisatorischen Miteinander mit einem konkreten Gegenüber. Mond und Mars symbolisieren die unmittelbaren Wünsche und Bedürfnisse.
5) Sigmund Freud: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie. Wien, 1905. Zitiert nach: www.projekt-gutenberg.org/freud/3abhandl/chap005.html Hervorhebungen im Original.
6) In: Liz Greene und Howard Sasportas: Die inneren Planeten. München 1995, S. 315
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