Der Begriff „innere“ Sicherheit macht bereits deutlich, dass zwischen einem Innen und einem Außen unterschieden wird. Im politischen Kontext markiert die Staatsgrenze die entsprechende Trennlinie zwischen innen und außen. Wir können den Begriff der inneren Sicherheit aber durchaus auch auf den einzelnen Menschen übertragen. „Innen“ läßt sich dann mit „Ich“ gleichsetzen, das „Außen“ entspricht dem „Du“. Innere Sicherheit bezieht sich dann auf die Festigkeit einer Person, auf die Stabilität, die, wenn wenig innere Sicherheit vorhanden ist, leicht vom Außen, vom Du, ins Wanken gebracht werden kann.
Jeder, der aufmerksam Wahlkämpfe und politische Diskussionen beobachtet, weiß, dass es dort nicht so rational und abgeklärt zugeht, wie es vielleicht bisweilen nützlich und dem Gemeinwohl förderlich wäre. Psychologische Aspekte spielen eine entscheidende Rolle. Der Aufschrei um den Mangel an innerer Sicherheit im Staat entspricht nicht einer nüchternen Faktenanalyse, sondern vielmehr einem diffusen Gefühl der Unsicherheit. Das Gespenst der zunehmenden Kriminalität geistert seit mehr als einem Jahrzehnt in der kollektiven Wahrnehmung herum, ohne je belegt worden zu sein. Im Gegenteil: die Zahl der Delikte und Verbrechen hat kontinuierlich abgenommen. Zwischen 1993 und 2000 sank die Zahl der Straftaten in Deutschland von 6.750.000 auf 6.250.000 (während die Zahl der aufgeklärten Fälle im gleichen Zeitraum sogar etwas anstieg von 3.000.000 auf 3.400.000). Die statistische Wahrscheinlichkeit, Opfer einer kriminellen oder gar terroristischen Tat zu werden, ist so gering, dass sie uns eigentlich nicht mehr als ein Achselzucken entlocken dürfte. Zwischen der tatsächlichen Gefährdung und der Angst vor Angriffen auf Leib, Gesundheit und Leben oder dem Verlust des Besitzes besteht kaum ein nachvollziehbarer Zusammenhang. So erleben zum Beispiel die meisten Menschen, die Opfer werden, dies in ihrer unmittelbaren Umgebung und nicht etwa in der Fremde oder dem berühmten dunklen Park.
Das Thema innere Sicherheit ist also Thema des Sicherheitsgefühls und wir müssen uns fragen, wie sicher (oder unsicher) wir unseren psychischen Innenraum erleben. Wie angreifbar erscheint uns unser Territorium? Wie deutlich kann ich sagen „ich bin“, ohne dabei Bedrohung von Außen, vom Du zu fürchten? Und wie angstfrei kann ich mit meinem Besitz umgehen?
Im Horoskop finden wir Antworten auf diese Fragen, wenn wir uns das zweite Haus näher betrachten.
Das zweite Haus beschreibt den Eigenwert einer Person. Leider wird es häufig oberflächlich als „Haus des Geldes“ gedeutet. Der Selbstwert wird in diesen Fällen gemessen an der Dicke der Brieftasche. Im westlichen Kulturkreis dieser Zeit ist dies durchaus eine übliche Form, den (vermeintlichen) Eigenwert sozial zu demonstrieren. Solange mir mein Wert, meine Talente und Fähigkeiten jedoch nicht im Inneren klar sind, solange ich auf äußeren Ersatz zurückgreifen muß, solange muß ich tatsächlich fürchten, dass mir dieser Ersatz abhanden kommen kann. Er ist nämlich nicht untrennbar mit mir verbunden. Niemand kann Ihnen Ihre Talente stehlen – wohl aber Ihre Taler.
Wie sehr uns dieser Ersatz bereits zur Gewohnheit geworden ist, merken wir zum Beispiel, wenn ein Autofahrer, der bei Ihnen im Wohnzimmer sitzt, über sein geparktes Fahrzeug sagt: „ich stehe im Halteverbot“. Das Automobil repräsentiert stellvertretend den Eigenwert des Eigentümers; ja es repräsentiert geradezu den Eigentümer selbst. Und nicht nur der Autofahrer, dessen korrekte Aussage doch lauten müßte „mein Wagen steht im Halteverbot“, sondern auch wir als Zuhörer dieses Satzes wundern uns nicht – denn wir wissen stillschweigend um den Zusammenhang von Eigenwert und Ersatzwert.
Eine Astrologie, die nur den gegenwärtigen Zustand beschreibt, ohne Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen, wird im weltlichen Sinne erfolgreich sein, wenn sie Zweit-Haus-Themen mit finanziellen Aussagen interpretiert. Diese exoterische, also auf Äußerlichkeiten bezogene Sicht überbetont das Materielle und vermeidet die Suche nach Sinn und Bedeutung von Ereignissen. Eine seriöse, psychologische und / oder spirituelle Astrologie hingegen wagt den Blick hinter die Kulissen und wird die Aufmerksamkeit auf einen anderen Punkt lenken – bei Fragen des zweiten Hauses verlagert sich die Aufmerksamkeit vom Haben zum Sein.
Dorthin gelangen wir, wenn wir uns überlegen, was wir haben, wenn wir nichts mehr haben: was besitzen Sie außer Ihren materiellen Gütern? Der Mensch besitzt zunächst einmal einen Körper. Mehr noch: er ist Körper. Das primäre Sicherheitsbedürfnis ist eines, das auf den Körper ausgerichtet ist: genug Nahrung und Schlaf bekommen, angenehm temperiert sein, keine Schmerzen erleiden etc. Sobald ich beispielsweise ein undefinierbares Brennen im Inneren meines Körpers spüre, fühle ich mich nicht nur unwohl, sondern reagiere zugleich ängstlich: „Was ist da drinnen los? Besteht Gefahr?“ Meine Sicherheit ist eingeschränkt. Das zweite Haus ist ein körperliches Haus. Ihm ist das Element Erde zugehörig. Alle erdhaften Faktoren im Horoskop bedürfen der Körperlichkeit. Man hat das Bedürfnis, etwas zum Anfassen zu haben. So führt der Weg zur inneren Sicherheit auch über den eigenen Körper. Das ist der Grund, warum in der Horoskopdeutung Sinnlichkeit und Genuß als Themen des zweiten Hauses auftauchen. Es ist eine Sinnlichkeit, die direkt taktil gespürt werden will: Massage, ein Bad nehmen, gutes Essen, das ich mir einverleibe. Also sinnlich wahrnehmbare Reize, die Genuß verschaffen. Denn genießen ist nur möglich, wenn es zugelassen wird. Hier besteht eine Wechselwirkung zum Selbstwertgefühl: ich bin es mir wert, vorzüglich und in Ruhe zu essen. Andersherum: wenn ich mir die Zeit und Ruhe nehme, mich verwöhnen zu lassen (oder selbst zu verwöhnen), dann poliere ich damit zugleich meinen Eigenwert, lenke die Aufmerksamkeit auf mein Selbst, komme mehr mit mir selbst und damit mit meiner inneren Stabilität in Kontakt.
Außer dem Körper besitzt ein Mensch Eigenschaften, Talente und Fähigkeiten, die wir mittels einer sorgfältigen Horoskopanalyse beschreiben können. Der amerikanische Philosoph und Astrologe Dane Rudhyar weist darauf hin, dass das, was ich an Potentialen und Kräften mitbekommen habe, in enger Verbindung steht mit der Art und Weise, wie ich diese Kräfte verwende. Der durch die Horoskopsymbole angezeigte Charakter eines Menschen und seine Anlagen müssen in irgend einer Weise angewendet werden. Was nutzt es, wenn in mir die Fähigkeit zu tiefgehender Intuition angelegt ist, ich sie aber brachliegen lasse und verleugne? Eigentum verpflichtet. Dies gilt nicht nur für Häuslebauer, sondern eben auch für den Besitz von Begabungen. Im Horoskop ist der mahnende Zeigefinger dieser Verpflichtung angezeigt durch das Erdtrigon, das die Häuser zwei, sechs und zehn (und auch die Zeichen Stier, Jungfrau und Steinbock) miteinander verbindet. Bei Steinbock / Haus 10 und Jungfrau / Haus 6 fällt es uns leicht, Pflicht und Arbeit zu assoziieren. Wir tun es meist mit einer etwas bitteren Grimasse, da wir Pflicht und Arbeit häufig nur in ihrer pervertierten Form kennen: wirtschaftlich orientierte Leistungspflicht und entfremdetes, monotones Mühen und Plagen. Pflicht im spirituellen Sinne jedoch ist die Aufforderung, mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, das heißt, mit allen Ihren Anlagen und Talenten über sich selbst hinauszuwachsen und weiterzuentwickeln. Arbeit in diesem Zusammenhang bedeutet, konkret zu werden. Es reicht eben nicht, sich luftige Gedanken zu machen, sondern erdhafte Sichtbarmachung ist gefordert. Und das ist Arbeit. Das zweite Haus im individuellen Horoskop zeigt also auch, wie die Talente angewendet werden können. Dies wird in erster Linie über die Zeichenfärbung des Hauses deutlich.
Im Unterschied zur Zeichenfärbung betonen Planeten im zweiten Haus die Hilfskräfte, über die wir unsere Talente besser entdecken können und die letztlich unser Selbstwertgefühl (und damit das Gefühl der inneren Sicherheit) stabilisieren.
Was passiert, wenn ein Mensch diesen durch Tierkreiszeichen und Planeten im zweiten Haus dargestellten inneren Reichtum in sich nicht wahrnimmt?
Auch hier können wir die äußere Welt als Spiegel für innere Abläufe heranziehen. Dem Mangel an Selbstwert und damit dem Mangel an innerer Sicherheit wird nicht etwa durch die Beschäftigung und Förderung der eigenen Talente begegnet – er wird vielmehr im Außen bekämpft. Die gängige Reaktion auf die „gefährdete“ innere Sicherheit ist die Verstärkung von Druck und Gewalt im Sinne einer Law-and-Order-Politik. Dem Gefühl, dass andere Macht über uns haben, begegnen wir selbst mit Machtgelüsten. Terror wird mit Terror bekämpft. Momentan können wir dies erschreckend deutlich beobachten. Selbst amnesty international weist darauf hin, dass weltweit der sogenannte Kampf gegen den Terror mit zunehmenden Menschenrechtsverletzungen einhergeht.
Astrologisch haben wir es mit einer Flucht ins Gegenhaus zu tun – also der Neigung, mit Haus-acht-Themen den Mangel an Selbstwert wieder wettmachen zu wollen. Ein Beispiel: die Bilder von Kriegsgefangenen der USA auf Guantanamo, die Ende Januar 2002 durch die Presse gingen, sind skorpionisch (Haus 8 = Skorpion) gefärbt. Sie erinnern sich bestimmt: die Bilder zeigen Taliban-Gefangene mehrfach gefesselt, die Hände in ledernen Handsäcken, maskiert und mit verbundenen Augen am Boden kniend in einem mit Stacheldraht gesicherten Käfig bewacht von bewaffneten US-Soldaten. Die Siegermacht zeigt sich nicht als zivilisierte Welt sondern betont durch diese nicht notwendige, symbolische Unterwerfung der Verlierer ihre Machtstellung und mißbraucht ihren Sieg, um Stärke und Einfluß zu demonstrieren. Das alles entspricht einer unerlösten Haus-Acht-Thematik.
Im Gründungshoroskop der USA steht übrigens Sonne im 8. und Pluto im 2. Haus. Die Selbstwertthematik ist zudem durch die Mondknotenachse betont, die ebenfalls auf der Achse 2 – 8 liegt.
Aus meiner Astrologie-Erfahrung heraus komme ich zu dem Schluß, dass das unerlöste Ausleben von Horoskopkräften langfristig eine Weiterentwicklung behindert. Die Losung müßte eigentlich lauten: zurück in Haus zwei! Werden die eigenen Werte nicht wahrgenommen beziehungsweise nicht für den persönlichen und kollektiven Entwicklungsweg eingesetzt, wenn man sich also arm an Werten fühlt, erleben wir Macht(mißbrauch) und Gewalttätigkeiten. So läßt sich auch die Aussage von Joycelyn Elders, der ehemaligen Leiterin der amerikanischen Gesundheitsbehörde verstehen, die Armut als Hauptursache für Brutalität und kriminelle Gewalt nannte.
Aber zurück zur Astrologie.
Das dem zweiten Haus zugehörige Tierkreiszeichen ist der Stier. Es ist ein weibliches Zeichen, wodurch betont wird, dass wir unser Sicherheitsgefühl eben nicht durch nach außen gerichteten Aktionismus und Tatkraft erlangen, sondern (für uns manchmal paradox erscheinend) durch den Weg nach innen, durch Ruhe und inneres Gewahrsein. Das zweite Haus wird regiert von Venus. Sie symbolisiert in diesem Zusammenhang den inneren Frieden. Es ist eine natürliche Gelassenheit. Es ist das Gefühl, das bisweilen in uns aufsteigt, wenn wir uns inmitten der Ruhe und Schönheit der Natur befinden – etwa auf einer friedlichen Waldlichtung den Vögeln lauschen, scheue Rehe in der Ferne beobachten und den Duft süßer Blumen einatmen. In solchen Momenten gibt es keine Zweifel mehr. Die Natur ist. Punkt. Das gilt es zu bewahren – auch im menschlich-psychologischen (Er-)Leben. So weist das zweite Haus im Horoskop, verknüpft mit der Stellung seines Herrschers auf die Naturverbundenheit in uns hin. Damit ist auch die Verbundenheit zu unserer eigenen, inneren, man kann auch sagen: zu unserer wahren Natur angezeigt. Und wer in seiner wahren Natur ruht, dort seßhaft geworden ist, der hat eine innere Sicherheit gewonnen, die man ihm nicht mehr nehmen kann.
Im Zen-Buddhismus ist die regelmäßige Meditationspraxis die entscheidende Übung, um seine wahre Natur zu entdecken. Die Worte des Zen-Mönchs Shunryu Suzuki über die Natürlichkeit des Menschen können auch direkt als eine Beschreibung des zweiten Horoskophauses gelesen werden:
Natürlichkeit ist ein Gefühl, von allem unabhängig zu sein, oder eine gewisse Aktivität, die sich auf nichts gründet. … Der Same hat keine Vorstellung davon, dass er eine besondere Pflanze ist, aber er hat seine eigene Form und ist in vollkommener Harmonie mit dem Boden, mit seiner Umgebung. Während er wächst, im Laufe der Zeit, drückt er seine Natur aus. … Für eine Pflanze oder einen Stein ist es kein Problem, natürlich zu sein. Aber für uns besteht ein gewisses Problem, tatsächlich ist es ein großes Problem. Natürlich zu sein ist etwas, an dem wir arbeiten müssen. … Wenn Ihr beispielsweise Hunger habt, ist es Natürlichkeit, dass Ihr etwas Nahrung zu Euch nehmt. Ihr fühlt Euch natürlich. Aber wenn Ihr zuviel erwartet, ist es nicht natürlich, etwas Nahrung zu haben. … Ihr habt dann keine Wertschätzung dafür.